Soziale Marktwirtschaft

Soziale Marktwirtschaft ist ein gesellschafts- und wirtschaftspolitisches Leitbild mit dem Ziel „auf der Basis der Wettbewerbswirtschaft die freie Initiative mit einem gerade durch die wirtschaftliche Leistung gesicherten sozialen Fortschritt zu verbinden“.[1] Die Aussagekraft des Terminus Soziale Marktwirtschaft wird unterschiedlich eingeordnet: Einerseits gilt er als etablierte Bezeichnung für die Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Österreich und der Schweiz,[2][3] andererseits wird der Ausdruck je nach politischem Kontext, ähnlich der sozialpolitischen Idee vom Volksheim in Schweden, unterschiedlich interpretiert[4] und somit auch als (inhaltsleeres) politisches Schlagwort betrachtet.[5][6]

Die Bezeichnung Soziale Marktwirtschaft geht auf Alfred Müller-Armack zurück, der darin eine irenische Formel sah, deren Sinn darin bestehe, „das Prinzip der Freiheit auf dem Markt mit dem des sozialen Ausgleichs zu verbinden“.[7] Das Konzept basiert auf Vorstellungen, die mit durchaus unterschiedlicher Akzentuierung schon in den 1930er und 1940er Jahren entwickelt wurden. Aus diesem geschichtlichen Hintergrund ragt der Ordoliberalismus heraus, insbesondere Walter Eucken,[8] Franz Böhm und Leonhard Miksch sowie Alexander Rüstow und Wilhelm Röpke als Vertreter eines soziologischen Liberalismus.[9] Das Konzept „soziale Marktwirtschaft“ ist pragmatischer, etwa in der Konjunktur- und Sozialpolitik, als die ordoliberalen Vorstellungen, die sich ausschließlich auf die Wettbewerbsordnung konzentrieren.[8][10]

Die Bundesrepublik Deutschland und die DDR vereinbarten am 18. Mai 1990 eine Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion. In dem Staatsvertrag wurde die Soziale Marktwirtschaft als gemeinsame Wirtschaftsordnung vereinbart.[11][12] Angela Merkel warb 2009 während der damaligen Finanz- und Wirtschaftskrise in einer Rede vor dem Weltwirtschaftsforum für eine offene Weltwirtschaft, basierend auf Regeln der sozialen Marktwirtschaft. Sie habe Deutschland nach dem Krieg Wohlstand gebracht, sei der dritte Weg zwischen Kapitalismus und Staatswirtschaft. „Der Staat ist der Hüter der sozialen Ordnung, [..] Wettbewerb braucht Augenmaß und soziale Verantwortung“.[13] Die Europäische Union strebt laut Vertrag von Lissabon eine „wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft“ mit Vollbeschäftigung und sozialem Fortschritt an.[14] Im internationalen Kontext wird die Wirtschaftsordnung bisweilen auch als Rheinischer Kapitalismus bezeichnet.[15]

  1. Alfred Müller-Armack: Wirtschaftsordnung und Wirtschaftspolitik. Bern 1976, S. 245.
  2. Hanns Abele: Handbuch der österreichischen Wirtschaftspolitik. Manz, 1982, ISBN 3-214-07050-9, S. 145.
  3. Julian Dörr, Maximilian Kutzner: „Außerparlamentarischer Wachhund“? Die Entstehungsgeschichte der Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft und deren Aktivitäten zur Vermittlung der Wirtschaftsordnung in Deutschland. In: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Band 104, Nr. 4/2017. Franz Steiner Verlag, 2017, ISSN 0340-8728, S. 487–524.
  4. Hans-Rudolf Peters: Wirtschaftspolitik. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2000, ISBN 3-486-25502-9, S. 47.
  5. https://www.avenir-suisse.ch/ludwig_erhard_horst_friedrich_wuensche_die-falsch-verstandene-soziale-marktwirtschaft/, abgerufen am 4. Juni 2020
  6. Grundtexte zur Sozialen Marktwirtschaft. Band 3, Marktwirtschaft als Aufgabe. Gustav-Fischer-Verlag, Stuttgart/New York 1994, ISBN 3-437-40331-1, S. 36.
  7. Alfred Müller-Armack: Wirtschaftsordnung und Wirtschaftspolitik. Bern 1976, S. 243.
  8. a b Uwe Andersen, Wichard Woyke (Hrsg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland – Grundlagen, Konzeption und Durchsetzung der Sozialen Marktwirtschaft. 5. Auflage. Leske+Budrich, Opladen 2003. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2003. (online (Memento vom 3. August 2012 im Webarchiv archive.today))
  9. Otto Schlecht: Grundlagen und Perspektiven der sozialen Marktwirtschaft. Mohr Siebeck, 1990, ISBN 3-16-145684-X, S. 12.
  10. Sie war niemals eine „Reißbrettkonstruktion findiger Ökonomen“, sondern wurde von Beginn an bezogen auf die realen wirtschaftlichen Begebenheiten. (Bernhard Löffler: Soziale Marktwirtschaft und administrative Praxis. Steiner, Wiesbaden 2002, S. 85).
  11. Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik (Staatsvertrag) vom 18. Mai 1990, Kapitel 1, Art. 1 Abs. 3 (Vertragstext).
  12. Otto Schlecht: Grundlagen und Perspektiven der sozialen Marktwirtschaft. Mohr Siebeck 1990, S. 182 ff.
  13. Angela Merkel: Soziale Marktwirtschaft als Exportschlager, Focus, 30. Januar 2009.
  14. „Die Union errichtet einen Binnenmarkt. Sie wirkt auf die nachhaltige Entwicklung Europas auf der Grundlage eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums und von Preisstabilität, eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt, sowie ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität hin.“ Vertrag von Lissabon. Art. 1, 4), (3)
  15. Rocco Buttiglione: Einige Gedanken über das Rheinische Modell. In: Michael Spangenberger (Hrsg.): Rheinischer Kapitalismus und seine Quellen in der Katholischen Soziallehre. Aschendorff, Münster 2011, S. 141.

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